Vergebung, schreibt der französische Philosoph Jacques Derrida, sei „die Unmöglichkeit, zu verzeihen, was unverzeihlich ist“.
Was soll das denn heißen?
Das wissen wir ehrlich gesagt auch nicht so genau, aber er verweist auf die Verzwickungen, die das Verzeihen umgeben.
Sie ist doppelte Erlösung – für die, die verzeiht und den, dem verziehen wird; sie ist manchmal für Außenstehende ein Skandal, sie wird oft ersehnt und kann häufig gerade dann nicht gegeben werden.
Sie ist ein einfaches Ding, das schwer zu machen ist, könnte man mit Berthold Brecht sagen.
Daher möchten wir hier die Frage stellen: was ist das überhaupt – Vergebung? Und wie kann Mediation Vergebung ermöglichen, wie passt Vergebung in die Mediation?
Zunächst einmal: Mediation ist definitiv ein Weg, jemandem zu verzeihen oder von jemandem verziehen zu bekommen.
Idealerweise organisiert eine Mediation das Vergebungsgespräch unter Beachtung ihrer psychologischen Voraussetzung. Denn oft wollen beide Beteiligten die Versöhnung, verhaken sich aber im Gesprächsverlauf ineinander.
Damit Verzeihen gelingen kann, müssen wir berücksichtigen, dass der innere Weg, jemanden um Verzeihung zu bitten, genauso voraussetzungsvoll ist wie der innere Weg, jemandem zu vergeben.
Aus unserer Erfahrung biegt ein Vergebungsgespräch an zwei Stellen ungut ab: Entweder an dem Satz „Du musst dich entschuldigen!“ – der so aufgebaute Druck eskaliert die Situation, weil bei der anderen Seite noch kein Bewusstsein für die Tat vorliegt. Da ist noch kein Schuldgefühl, es wird nichts bereut, wofür man sich authentisch entschuldigen könnte.
Der zweite Satz mit Dynamit-Potenzial lautet „Ich habe mich doch entschuldigt!“ – und du musst mir jetzt verzeihen, lautet die implizite Botschaft.
Oft hat sich der Entschuldigende lange zu seiner Entschuldigung durchgerungen, aber nicht mitbedacht, dass die Geschädigte mindestens genau so viel innere Arbeit zu verrichten hat, um die Entschuldigung anzunehmen. Die Enttäuschung über eine nicht sofort angenommene Entschuldigung führt dann in eine weitere Eskalation.
Unser Job als Mediator:innen ist es, auf die Bremse zu treten und Verständnis für das innere Erleben der jeweils anderen Seite zu organisieren.
Vergebung und um Vergebung bitten haben psychologische Voraussetzungen, die ein Vergebungsgespräch erfüllen muss, damit eine Wiederannäherung authentisch möglich ist.
Daher folgen solche Gespräche einer bestimmten Struktur, die sich aus dem Weg des inneren Erlebens der Beteiligten ergibt.
Diese Struktur lässt sich mit einigen wenigen Änderungen in die Mediationsphasen einbauen. Wenn wir unser Mediationsgespräch so organsisieren, dass wir die Mediand:innen an ihren inneren psychischen Prozessen abholen, erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit, dass es klappt mit der Vergebung.
Im nächsten Abschnitt befassen wir uns mit den Konfliktprozessen, die zu Entschuldigung und Vergebung führen oder diese erschweren. Danach sehen wir uns die 5 Schritte der Vergebung an, um anschließend über die ihnen gegenüberstehenden 5 Schritte der Reue dazu zu kommen, wie das alles in die Phasen einer Mediation eingebaut wird.
In vielen Mediationen wird einer (oder beiden!) Streitpartner:innen bewusst, dass sie etwas getan haben, was sie, von heute aus betrachtet, so nicht mehr tun würden.
Meistens sind falsche Vorannahmen, eine andere Situationseinschätzung, moralische Schwäche oder eine noch nicht vollzogenen Entwicklungsstufe der Grund.
Es wird immer etwas sein, dass die Beziehung beschädigt und enttäuscht hat, und es geht immer mit mehr oder weniger hohem Vertrauensverlust einher.
Die Streitpartner:innen, nennen wir sie von nun an Esther und Erwin, erwarten voneinander, dass der andere „sich entschuldigt“ bzw. „versteht und verzeiht“.
Diese beiden Wünsche sind menschlich verständlich, können aber nicht so auf die Schnelle erfüllt werden. Vergebung, aber auch die Bitte um Verzeihung, sind Geschenke. Sie können nicht eingefordert werden, und setzen auch keinen wechselseitigen Vertragsvorgang in Kraft.
Das heißt, dass Erwin z.B. nicht automatisch erwarten darf, dass Esther ihm Vergebung schenkt, nur weil er ihr eine Entschuldigung geschenkt hat.
Mit beiden Geschenken machen sich die Konfliktpartner:innen verletzlich, sie sind der potentiellen Ignoranz und Brutalität des Gegenübers ausgesetzt. Daher ist dieses Geschenk ein Vertrauensbeweis.
Es anzunehmen und fühlbar wertzuschätzen, lässt einen Keim von Hoffnung aufgehen – den beide gießen müssen. Es ist zum Beispiel wichtig, nicht mehr zu verlangen als geschenkt wird. Umgekehrt muss das Geschenk anfangs zumindest irgendwie den Kern dessen treffen, worum es der geschädigten Partei geht.
Oft wird Vergebung falsch verstanden, sie gilt als Nachgeben oder Schwäche. Doch in Wirklichkeit ist Vergebung ein Akt der Stärke und der Befreiung.
Vergebung beendet oder transformiert die Beziehung, die durch die Verletzung entstanden oder geprägt ist.
Wer nicht vergeben kann, ist an die Verletzung und den, der verletzt hat, gebunden.
Um eine Beziehung zu heilen bzw. ihr Zukunft zu geben, braucht es einen vollständigen Vergebungsprozess, und wie der aussieht, schauen wir uns jetzt genauer an.
Es gibt zwei Sätze, die auf ein Vergebungsanliegen hinweisen, und typische Antworten, die ein Gelingen erschweren:
1. Esther sagt: „Ich will, dass du dich bei mir entschuldigst!“ (Bedeutet: du musst einsehen, dass du etwas falsch gemacht hast, und: ich bin möglicherweise bereit, zu verzeihen.)
Worauf wir Erwin häufig folgendes sagen hören:
2. Erwin sagt: „Ich möchte mich bei dir entschuldigen“ (weil ich einsehe, dass ich etwas falsch gemacht habe, und: du musst mir verzeihen)
Worauf Esther gerne folgendes sagt:
Das einfach Ding, das schwer zu machen: Was steht Erwin und Esther im Weg?
Wie meist in der Mediation besteht die große Herausforderung darin, dass beide bedürftig sind und die Empathie des anderen brauchen, diese/r aber gerade sehr bei sich ist.
Konkrete Gründe, die es einem schwer machen, um Verzeihung zu bitten, können sein:
Konkrete Gründe, die dem Verzeihen im Weg stehen, können sein:
Besonders knifflig wird es, wenn Erwins Handlung selbst eine Reaktion war und der Anfang der Reaktionskette – wie so oft – nicht mehr rekonstruierbar ist. Dabei kann sie auch eine Verzweiflungstat sein, die darauf hinweist, dass schon vorher etwas im Argen war. Das wiederum sieht Esther nicht. Und so tanzen sie umeinander herum, jede:r will, dass die andere Seite den nächsten, notwendigen Schritt geht. Aber auch, wenn eigentlich beide in Richtung Vergebung gehen wollen, kann die Gestaltung dieses „Tanzes der Verzeihung“ schwierig sein, und ein gutes Ende bleibt lange ungewiss.
Um zu verstehen, was dem Vergebungsprozess im Weg steht, müssen wir die Psychologie dahinter verstehen. Denn dieser Prozess sind eigentlich zwei, die ineinander verzahnt sind – ein innerer Vergebungs- bzw- Reueprozess, den beide mit sich selbst ausmachen, und ein zwischenmenschlicher, der in einer Mediation stützend begleitet werden kann.
Der Benediktinermönch und Autor Pater Anselm Grün identifiziert folgende fünf Etappen als notwendige Schritte eines (inneren) Vergebungsprozesses.
Neben Wut und Trauer spielen zwei weitere starke Gefühle eine Rolle, die wir nicht gerne spüren und daher aussperren: Schuld und Scham. In der Regel haben wir alle ein positives Selbstbild. Durch die Anschuldigung ist dieses getrübt. Zu sehen, dass unsere Handlung bei jemand anderem Schmerz ausgelöst hat, ist schwer auszuhalten.
Man fühlt sich schuldig – ein sehr niederdrückendes Gefühl, zumal, wenn man keine Ahnung hat, wie man damit umgehen soll – und man schämt sich.
Der Ausweg aus beiden ist die aktive Verantwortungsübernahme.
Und wie die Vergebung vor allem ein Geschenk an sich selbst ist – wofür man das Gegenüber übrigens nicht einmal braucht – ist auch die aktive, positive Verantwortungsübernahme etwas, das man zumindest teilweise für sich tut, um sich von Schuld und Scham zu befreien und Frieden zu finden.
Wie können wir in der Mediation einen Vertrauensraum für das Aushalten von Wut und Trauer, Schuld und Scham gestalten und halten? Und wo sind die Fallstricke?
Zunächst einmal ist es wichtig, dass „sich-mit-Rechtfertigungen-entschuldigen“ nicht das gleiche ist wie Verantwortung übernehmen und um Verzeihung bitten. Doch was viele tun, um die quälende Schuld und Scham loszuwerden, ist genau dies: sich selbst ent-schuldigen, indem sie vielleicht kurz „sorry“ sagen, und dann „aber“, gefolgt von langen Erklärungen, die die eigene Schuld mindern. Wir kennen das alle in der Kurzfassung von „Sorry, dass ich zu spät komme, aber mein Zug hatte Verspätung“.
Wir müssen als Mediator:innen wissen, was echte Verantwortungsübernahme ist. Sie besteht in einer vollen Anerkennung der Handlung und des Schmerzes, den sie ausgelöst hat und geht einher mit Angeboten der Reparation und konkreten Vorhaben, was man selbst künftig dazu beizutragen gedenkt, damit ähnliches nicht wieder vorkomme.
Es gibt auch einen inneren Prozess des Bereuens, der dem des Verzeihens gegenübersteht.
Seine fünf Schritte wären entsprechend:
Wie die verschiedenen Prozesse in den Mediationsablauf passen, sehen wir uns im übernächsten Abschnitt an.
Nach unserer Erfahrung kommt es in vielen Mediationen dabei zu einem Missverhältnis:
Wir arbeiten lange daran, dass Erwin erkennt, was sein Verhalten – absichtlich oder unabsichtlich – bei Esther an Verletzungen bewirkt hat.
Regelmäßig stellen wir fest, dass der nun einsichtige Erwin erwartet, dass Esther diesen Einsichtsprozess irgendwie mitgegangen ist und nachvollziehen kann. Und dann enttäuscht ist, wenn sie seine Entschuldigung nicht umstandslos annimmt.
Doch zu vergeben ist emotional mindestens so herausfordernd wie verantwortungsvoll die Schuld für ein Verhalten oder Unterlassen auf sich zu nehmen.
Wir sollten beachten, dass sich die vergebende Partei im Mediationsprozess doppelt so lange in einem emotional unsicheren Status befindet wie die um Vergebung bittende: gebannt oder ungeduldig begleitet sie deren Läuterung.
Die bereuende Seite konnte nun schon einen Teil ihres Schuldgefühls abladen, während die vergebende noch mit der Verarbeitung ihrer Scham und Wut beschäftigt ist.
Daher ist es essenziell, dass sie nicht alleine bleibt, sondern von der Mediator:in und, in angemessener Distanz, von der anderen Partei unterstützt und begleitet wird.
Wie organisieren wir nun das Vergebungsgespräch und mit welchen Herausforderungen haben wir es zu tun?
Am Anfang steht selbstverständlich die Einladung, einander nicht zu verurteilen, sondern das subjektive Erleben des anderen ernst zu nehmen und als solches zu akzeptieren.
Das ist bekanntlich leichter gesagt als getan, aber nehmen wir mal der Einfachheit halber an, dass beide Seiten die Belastung ausräumen wollen, um eine konstruktive Beziehung (weiter) zu führen.
Unsere Hauptaufgabe besteht dann darin, die beiden inneren Prozesse – Vergebung und Reue – zu koordinieren.
Beim Schreiben des Artikels ist mir aufgefallen, wie verwirrend das alles sein kann, daher bitte ich dich, liebe:r Leser:in um Geduld, während ich es an drei Schaubildern erkläre.
Das erste Schaubild zeigt, wie die 5 Phasen der Mediation mit den 5 Schritten im Vergebungsprozess nach Anselm Grün und dem Prozess des Bereuens, wie wir ihn beim Mediieren schon hundertfach erlebt haben.
Dort sieht man, dass die Schritte 1. - 5. von Reue und Vergebung in den Phasen 3 und 4 der Mediation stattfinden.
Das nächste Schaubild zeigt, wie in vielen Mediationen sich inkompatible Prozessschritte von Reue und Vergebung so gegenüberstehen, dass die Verständigung zuweilen scheitert:
Was kann also schiefgehen?
Herausforderung: zeitlich sind die Schritte der Vergebung und der Reue dermaßen unglücklich verzahnt, dass Erwin und Esther sich ständig gegenseitig in ihrer inneren Verarbeitung behindern.
Aus Wut kann Trauer werden und umgekehrt, das Verstehen kann durch einen Auslöser in Wut zurückfallen. Reue und Scham können sich gegenseitig abwechseln, und das Sich-selbst-Verstehen immer wieder zwischendrin durchscheinen.
Weil sich Esther und Erwin immer wieder ineinander verhaken, wenn wir als Mediator:innen nicht deutlich auf die Bremse treten, ist genau dies unser Job: Immer wieder den Austausch verlangsamen, Spiegeln und dafür sorgen, dass aus dem emotionalen Schlagabtausch ein wirklicher – ebenso emotional, aber anders – Dialog aus gegenseitigem Zuhören und empathischen Begreifen wird.
So kann der verlangsamte Prozess aussehen:
In der Phase 2 der Mediation findet die ‚Themensammlung‘ statt. Mediator:in und Konfliktparteien vereinbaren, worüber gesprochen werden muss, um gemeinsam zu Klarheit und idealerweise zur Lösung zu kommen. In einem Vergebungs-Reueprozess findet hier die common-ground-legung statt: Es gab eine Handlung (Erwin), und ein spezifisches Ergebnis/Erleben (Esther) dieses Handelns. Diese Anerkennung des Geschehenen ist wichtig, damit die weiteren Schritte gegangen werden können.
Esther, die verzeihen soll, ist hier gefordert, neutral über ihr Erleben zu sprechen, ohne schon in Schmerz oder Forderungen abzugleiten. Erwin muss akzeptieren und in sein Selbstbild integrieren, dass er sich etwas zu Schulden hat kommen lassen.
Für die Mediation besteht die Herausforderung darin, eine konsistente Einigkeit darüber herzustellen, wie die Situation sich zugetragen hat.
Wenn dieser Common Ground erreicht ist, also die Handlung geklärt, die Esther so verletzt hat, wird es spannend:
Wer erlebt gerade die nächste emotionale Phase: Esther ihre Verletzung? Erwin den Schock, der seine jähe Erkenntnis begleitet?
Die Herausforderung besteht darin, der anderen Person zuzuhören, und entweder noch gar nicht zu verstehen, was daran denn jetzt so schlimm/bedeutsam sein soll, oder schon intensiv mit seiner eigenen Emotion beschäftigt zu sein. Die Mediatorin wird hier wieder viel spiegeln und pacen und den Dialog verlangsamen.
Am krassesten ist der Gegensatz bei Schritt 2: während Esther laute Wut erlebt, und sie äußern muss, um die nächsten Schritte gehen zu können, erlebt Erwin leise, nach innen gekehrte Scham, die durch behutsam geäußerte Einfühlung begleitet werden müsste.
Wut geht nach außen und stellt Distanz her, dabei kann sie sehr zerstörerisch sein.
Reue geht nach innen und will die Distanz überbrücken.
An der gelungenden Gestaltung dieses Gesprächsabschnitts entscheidet sich häufig der Erfolg des Vergebungsgesprächs.
Die Mediatorin hat alle Hände voll zu tun, die Balance zu halten, während Esther und Erwin eine emotionale Achterbahnfahrt nach der anderen erleben.
Dass beide ihre jeweiligen Prozesse zu Ende bringen, ohne sich gegenseitig zu entmutigen oder abzubringen, ist die große Herausforderung für die Mediator:in.
Einzelgespräche und Pausen können hier unterstützen. So können am Ende dieser Phase Selbsterkenntnis und Anerkennung für die Selbsterkenntnis des anderen stehen.
Wenn beide das Erleben des anderen nachvollziehen konnten und sich zumindest etwas verstanden fühlten, kann nun Esther anfangen zu verstehen – ohne damit einverstanden zu sein – was Erwin zu seiner Handlung bewog. Erwin erlebt sich gesehen und empfindet dadurch seine Reue noch intensiver. Diese kann er nun äußern und Esther horcht in sich rein, ob sie sie als authentisch empfindet.
Trifft das zu, ist der Verlauf ist nun synchron, die eigentliche Vergebung findet statt. Es hilft, sich das jeweilige Ziel der Beteiligten vor Augen zu führen: Erwin wünscht sich die Entlastung von seinem Schuldgefühl, Esther möchte Anerkennung für ihr Leid. Beide suchen nach Befreiung von der negativen Bindung und Frieden.
Wenn Esther die vorherigen Phasen für sich nicht wirklich abgeschlossen hat, wird ihr das Verzeihen nicht gelingen. Das gleiche gilt für die Reue von Erwin.
Mediator:innen müssen aufpassen, wenn sich in die Bereitschaft zur Vergebung schon die Frage mischt, wie die zukünftige Beziehung zwischen beiden aussehen kann. Diese Frage kann erst behandelt werden, wenn die Frage der Wiedergutmachung geklärt ist.
Am Ende von Schritt 5 sollten keine Schuldgefühle mehr nagen und keine Gedanken mehr kreisen. Wenn Esther verziehen hat, kann sie persönlich wachsen. Sie kann das Gelernte integrieren, und die Erfahrung, verzeihen zu können, verleiht ihr Kraft. Das gleiche gilt für Erwins aktive Verantwortungsübernahme und die Erfahrung, Wiedergutmachung leisten und Ausgleich schaffen zu können.
Ist dieser Schritt gegangen, sind Erwin und Esther endlich frei. Sie können gelöst auseinander gehen oder eine neue Art von Beziehung beginnen.
Mediation organisiert das Vergebungsgespräch unter Beachtung der psychologischen Gegebenheiten.
Oft wollen beide Beteiligten die Versöhnung, verhaken sich aber im Gesprächsverlauf ineinander.
Der innere Weg, jemanden um Verzeihung zu bitten, ist genauso voraussetzungsvoll (emotional herausfordernd, zeitbrauchend) wie der innere Weg, jemandem zu vergeben.
Wir wünschen allen Kolleg:innen ein gutes Händchen bei der Begleitung derartiger Prozesse und wünschen allen, die sich gerade mittendrin befinden die Kraft und Zuversicht, es zu einem guten Abschluss zu bringen.
Das ist glaube ich der längste Blogartikel, den wir bislang veröffentlicht haben. Umso mehr freuen wir uns über eine Rückmeldung von dir über das Formular unten!
RheinMediation - Kultur der Verständigung
Holger Quandt
danke für diesen tollen, ausführlichen Artikel. Ich habe ihn mit Interesse gelesen und war gedanklich sehr involviert in deine Beschreibung des Prozesses. Eine tolle Anregung!
Inhaltlich finde besonders deine Beschreibung des Drucks sehr lebensnah, dass eine Seite einen bestimmten Schritt gehen „muss“, damit der Prozess weiter gehen kann. Als Mediator komme ich selbst immer wieder an den Punkt, wo ich denke, das „muss“ doch jetzt möglich sein. Dann das Tempo rauszunehmen, für den Moment ganz auf der Insel der einen Mediantenseite zu bleiben ohne die ader Seite zu gessen und sich als Mediator sich vom eigenen Erleben zu lösen, ist der Tanz, den ich so liebe. Sich darauf furchtlos einzulassen, macht manchmal den Unterschied von erfolgreicher und nicht erfolgreicher Mediation aus.
Aus dieser Überlegung heraus hat dein Satz, „Erwin muss akzeptieren und in sein Selbstbild integrieren, dass er sich etwas zu Schulden hat kommen lassen“, sofort Widerstand bei mir ausgelöst. Mein erster Impuls: Das muss Erwin nicht!
Nach einigem Nachdenken beim Schreiben meines Kommentars (ich sitze seit 2 Stunden daran) kam ich auf die Frage, ob Schuld, Scham (und spätere Reue) überhaupt notwendig sind, um ein Verzeihen zu ermöglichen.
Reicht es nicht, wenn Erwin die Auswirkung seines Handelns voll anerkennt, den Schmerz von Esther sehen kann und das bei Esther vollumfänglich ankommt? Warum muss er Schuld und Scham fühlen?
Sollten Scham und Schuld im Raum sein, kann der beschriebene Prozess eine super Hilfestellung bieten. Aber ich würde es für mich persönlich als anmaßend empfinden, wenn ich diese Gefühle und Einsichten bei Medianten erwarte oder auf sie „hinarbeite“ um eine erfolgreiche Mediation zu gewährleisten.
Ich wäre sehr gespannt auf eine Antwort von dir.
Und danke nochmal für den schönen Blockartikel, der Überlegungen vertieft und Gedanken angeregt hat.
Rüdiger Hausmann
Eike-S.Steinmeyer
Wie dem auch sei: In diesem Artikel steckt soviel Arbeit drin. Eigentlich zu schade für „nur“ eine Homepage-Veröffentlichung.
Rüdiger
Marthe
Ich bin in diesem (unserem) Fall die Täterin. Ich wei, wie es dazu kam, und der „teufel hat mich geritten“. Ich übernehme die Verantwortung und bleibe in der Wut stecken, weil ich selbst verletzt war und meine Tat auch als Verteidigung gesehen haben möchte. Beim Lesen Eures Textes werde ich nun (un-) endlich traurig.
Ich habe Vergebungsrituale praktiziert und kam dennoch nicht aus der Wut heraus.
Mal sehen, wie es nun weiter geht. Opfer und Täter sein liegt manchmal sehr nahe beieinander.
Danke, für Euren Beitrag, ich arbeite an der „Perle“.
Lieben Gruß an Euch!
Rüdiger
Burkhard Schröder
Ich werde dein/euer Fazit in der nächsten Mediation „mitdenken“!
Eine derartig schlüssige Aufklärung habe ich in diesem Zusammenhang noch nicht lesen dürfen!
Danke und liebe Grüße,
Burkhard
Rüdiger
Franciska Wiegmann-Stoll
Der Vergebungsprozess ist aus meiner Sicht das Kernstück und die Basis für eine gelingende Mediation.
Rüdiger
Viktoria
Rüdiger
Was denkst du?